Die betriebliche Gesundheitsförderung kann nicht
allein von einem zentralen Verantwortungsbereich bzw. einer Abteilung
im Unternehmen betrieben werden, wenn sie dem Anspruch eines modernen
Arbeits- und Gesundheitsschutzes gerecht werden will. Sie muss vielmehr
als Gemeinschaftsaufgabe im Unternehmen begriffen werden; dies bedeutet
wiederum, dass das Thema Gesundheit in den obersten Ebenen verankert
und auf allen Ebenen gelebt werden muss. Allerdings kommt es sehr
häufig in der Praxis zu Umsetzungsproblemen, wie beispielsweise
durch Prioritätsverschiebungen und damit einhergehende Kapazitätsprobleme
eines gerade eingeführten Gesundheitszirkels. Hieraus erkennt
man die Notwendigkeit, dass ein Gesundheitsmanagement im Unternehmen
von der Geschäftsführung gewollt, gefördert und mit
eigener Überzeugung betrieben werden muss. In der betrieblichen
Gesundheitsförderung gibt es sehr viele Standards, jedoch spätestens
bei der Maßnahmenumsetzung muss sehr individuell vorgegangen
werden. Die Einzelmaßnahmen und Gesamtprogramme müssen
sich an den betrieblichen Strukturen, Zielen, Erfahrungen und Denkweisen
orientieren. Gesundheitsprogramme lassen sich ohne Berücksichtigung
der jeweiligen Unternehmenskultur, insbesondere der Führungs-
und Kommunikationskultur, nicht erfolgreich implementieren, deshalb
können die Ziele der betrieblichen Gesundheitsprogramme sehr
unterschiedlich sein.
Ernährungsseminare und Rückenschulen werden häufig
in Unternehmen als ausschließliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
angesehen, allerdings kommt dabei die verhältnisbezogene Perspektive
zu kurz. Werden in einem Unternehmen mehrere Rückenschulkurse
durchgeführt, so besitzen die Mitarbeiter ein umfangreiches theoretisches
Wissen über die Grundlagen der gesunden und damit physiologischen
Haltung. Wenn nun aber die organisatorische Seite nicht für die
entsprechenden Rahmenbedingungen sorgt, kann das theoretische Wissen
der Mitarbeiter nicht erfolgreich umgesetzt werden, da dazu auch Änderungen
am Arbeitsplatz jedes Einzelnen notwendig sind. Wenn das nicht beachtet
wird, kann nicht von einer dauerhaft erfolgreichen Verhaltensänderung
ausgegangen werden. Das zeigt die Notwendigkeit, dass Maßnahmen
zur Gesundheitsförderung des Einzelnen an dessen Verhalten, an
die Umgebungsbedingungen im Arbeitsumfeld und im Sinne der Worklife-Balance
darüber hinaus ansetzen müssen. Unterschiedliche
Perspektiven bei der Einführung eines Gesundheitsmanagements
Bei der Einführung eines Gesundheitsmanagements im Unternehmen
lassen sich vier Perspektiven unterscheiden, die dabei Berücksichtigung
finden müssen:
1. Die Perspektive des Individuums
2. Die Perspektive der Arbeitsbedingungen
3. Die Perspektive der Organisation
4. Die Perspektive der Umwelt. 1. Die Perspektive
des Individuums
Hierbei wird das Organisationsmitglied als Ansatzpunkt für neues
und stärker gesundheitsbezogenes Verhalten betrachtet. Ihr liegt
der Grundsatz der Verhaltensprävention zugrunde. Das Ziel liegt
dabei in der Sensibilisierung des einzelnen Organisationsmitglieds
für ein gesundheitsförderliches Verhalten. Die Sensibilisierung
sollte in Form von Trainingsmaßnahmen erfolgen und gleichzeitig
muss handlungsrelevantes Wissen aufgebaut werden. Ziel des individuumszentrierten
Vorgehens ist der Aufbau eines gesundheitsorientierten Verhaltens
in der Arbeit und im Privatleben. 2. Die Perspektive
der Arbeitsbedingungen
Die Gesundheit eines Menschen kann mehr oder minder durch bestimmte
Arbeitsbedingungen belastet werden. Ziel jeglicher Interventionen
in diesem Bereich ist eine gesundheitsförderliche Gestaltung
der unmittelbaren Arbeitsumgebung. Dazu zählen zwei verschiedene
Faktoren: Diese sind zum einen die so genannten „Hard factors“,
wie beispielsweise Arbeitsmittel und -werkzeuge, Büroeinrichtungen,
Maschinen, abteilungsinterne Prozesse usw., die vor allem im traditionellen
Arbeits- und Gesundheitsschutz ausgiebig Beachtung finden. Zum anderen
sind dies die „Soft factors“, hierzu zählen die abteilungsinterne
Kommunikationsstruktur, die Abteilungs- und Teamkultur, sowie das
arbeitsprozessbezogene Problemlöse- und Konfliktverhalten des
Teams. Wiederum findet sich hier die Frage der Passung von Person
und Position, welche von gesundheitlicher Relevanz ist. 3.
Die Perspektive der Organisation
Diese Perspektive betrachtet den organisatorischen Rahmen, welcher
in einem Unternehmen existiert. Gemeint sind damit die durch die Organisation
geschaffenen Bedingungen, die sowohl das abteilungsbezogene, aber
auch das darüber hinaus gehende abteilungsübergreifende
Verhalten und Erleben beeinflussen. Die Ziele liegen in einer grundlegend
gesundheitsförderlichen Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation,
des Führungsstils und der Unternehmenskultur als Ganzes, der
Vergütungs- und Anreizsysteme sowie der organisatorischen Regelung
der Arbeitszeit. 4. Die Perspektive der Umwelt
Die Arbeit endet nicht mit dem Feierabend und dem Verlassen des Unternehmens.
Deshalb ist für ein umfassendes Gesundheitsmanagement der Blick
über die Unternehmensgrenzen hinaus erforderlich. Die Ziele liegen
in der Förderung der Balance zwischen Arbeit und Privatleben
des einzelnen Organisationsmitglieds. Diese Balance stellt die Grundvoraussetzung
für dessen Gesundheit dar. Wichtige zu betrachtende Inhalte sollten
auch hier die allgemeinen Lebensverhältnisse sowie das Urlaubs-
und Freizeitverhalten sein. Ein im Unternehmen eingeführtes
Gesundheitsmanagement kann nur dann dauerhaft erfolgreich sein,
wenn keine der genannten Perspektiven außer Acht gelassen
wird.
Folgende Abbildung fasst die vier Perspektiven zusammen: |